Durch einen Tipp kam ich drauf, dass es in dieser Trabantenstadt eine recht aktive, legale Streetartscene gibt. Ich hab mir auf einer Tour mal einige Sachen des Projekts Betonliebe angesehen.
Die Info der Wohnungsgenossenschaft WBG hierzu : Langwasser ist voll von Beton. Als Prototyp einer Trabantenstadt ragen hier mehrstöckige Häuserblocks in den Himmel. Ihre Fassaden sind meist grau, weiß, schmutzig-gelb. Im August des vergangenen Jahres hat die wbg der Tristesse nun farbstarke Hingucker mit Wow-Effekt entgegengesetzt. Den Anstoß dazu hatte das Projekt "Betonliebe" gegeben. Gestartet war diese neue große Liebe im Sommer 2019 unter der Regie des Gemeinschaftshauses Langwasser und des Arbeitskreises StreetArt. Künstlerischer Leiter ist Carlos Lorente, selbst Graffiti-Künstler und Inhaber der Graffiti-Akademie "Style Scouts". Das Ziel des Projekts ist es, den Stadtteil mit Kunst im öffentlichen Raum zu verschönern, dadurch die Lebensqualität der Menschen vor Ort zu erhöhen und Bürger von außerhalb für diesen besonderen Stadtteil zu begeistern. So waren internationale und lokale Kreative dazu eingeladen worden, ausgewählte Wände mit bleibenden Werken zu gestalten. Die Tour:
Am Parkhaus des Franken-Centers hat der Streetartkünstler BOND (Jonas Ihlenfeldt) zwei große Sachen gesprüht. Seine Arbeiten bergen einen besonderen Effekt, der sich nicht mit bloßem Auge erkennen lässt, sie werden mit Hilfe von Augmented Reality Apps zum Leben erweckt.
Gleich in der Nähe verwandelte die polnische Künstlerin Aleksandra Toborowicz den Betriebshof des Gemeinschaftshauses Langwasser in ein Radio. Das Mural ist ein Partnerschaftsprojekt mit dem Krakauer Kulturzentrums (NCK) und bildet Herkunftsländer von Langwasseranern und Langwasseranerinnen und deren Lieblingsorte im Stadtteil ab.
An der Rückseite des Kaufmarkts hat Andi Zeug mit Bewohnern schon im Jahr 2015 auf seine etwas naive Art die gesamte Wand gestalten können.
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Gleich beim Arvena Hotel ist im Rahmen der Betonliebe dieses Werk entstanden: Gesprüht von Vincent Gramms aka Caploart und Soma275
Gleich auf der anderen Seite der Glogauerstraße in der WBG Siedlung wird es phänomenal: Erst 2020 entstanden einige großflächige Sachen: Trotz Corona konnten auch 2020 zum Glück wieder einige große Hauswände in Wandkunstwerke verwandelt werden. Vom 13.7. bis 19.7. waren Rafael Gerlach aka SatOne (München) in der Giesbertsstr. 28 und Yannik Czolk (Mannheim) und Sven Küstner (Nürnberg) in der Ratiborstr. 4/ Ecke Glogauer Str. am Start.
Das Mural kombiniert die meist illustrative und figurative Arbeit von Czolk mit den eher flächigen und musterbasierten Werken von Sven Küstner.Loomit (Jahrgang 1968 !!) gilt als einer der wichtigsten Graffiti-Künstler im deutschsprachigen Raum und zählt zur ersten Generation der europäischen Urban Art. Seine Werke bewegen sich zwischen Muralismus, StreetArt und Style Writing.
An der Feulnerstraße 1 schließlich packte Armin E. Mendocilla aus Berlin seine Farben und kreativen Ideen aus. Der 28-jährige, besser bekannt als "Nasca Uno", hat deutsch-peruanische Wurzeln und kombiniert in seinen Werken gerne fotorealistische, surrealistische und abstrakte Elemente. Dabei interessiert er sich besonders für die vielfältigen Kulturen und Riten, Tier- und Pflanzenwelten sowie aktuelle gesellschaftliche Themen Perus. Seinem monumentalen wbg-Gemälde hat er den Titel "Wanderin" gegeben und darin "Elemente aus Langwasser, Nürnberg und aller Welt" integriert. Um die Internationalität des Stadtteils zu erfassen und ein Gespür für ihn zu bekommen, hatte er sich vorab mit dort lebenden Menschen unterhalten und sich von ihren Anekdoten inspirieren lassen. Entstanden ist eine lebendige Wandmalerei, deren einzelne Elemente sogartig in die Ferne ziehen. Da thront eine chinesische Winkekatze und ist eine russische Matrjoschka zu sehen. Genauso wie eine Balalaika, eine Pizza, eine afrikanische Maske und einer der Nürnberger Türme.
Tizer, Shucks und Relay aus London sind drei weitere Größen der StreetArt-Szene, die für die wbg aktiv wurden. Sie nahmen sich die zu den Mehrfamilienhäusern gehörenden Tiefgarageneinfahrten vor. Auf deren eintönigen Beton pinselten sie extravagante Farbexplosionen. So haben auch sie ihren ganz eigenen Stil verewigt, der sich durch einen typischen, futuristischen Charakter auszeichnet.Der Schriftzug "Together" - zusammen - steht im Mittelpunkt des einen Werkes, während es beim anderen "Diversity" - Vielfalt - ist.
Mein Statement zur Sprayerei: Ich kann mit den singularen Schriften, die man oft sieht , nicht viel anfangen. Wahrscheinlich ist es so, dass da jeder seinen Style hat und das Ganze noch mit einem Tag kennzeichnet. Also eine interne Angelegenheit der Szene, bei der man ähnlich wie Hunde oder andere Tiere seine Duftmarken setzt und sich durch besondere Ausführung die Anerkennung holt, die man benötigt. Gerade beim illegalen Sprayen kommt ja noch der Abenteueraspekt hinzu. In dieser langweiligen, durchorganisierten Welt scheint man sich den Nervenkitzel und den Adrenalinschub durch besondere Actions holen zu müssen. Der Steinzeitmensch hatte das nicht nötig. Anspannung war sein tägliches Brot.
Ein Soziologe meint: Eine saubere, unberührte Wand trägt eine klare Botschaft, die von jedem, der sie passiert, entziffert werden kann: An diesem Ort ist alles unter Kontrolle. Der writer untergräbt diese Aussage. Der writer, der sich die Freiheit nimmt, seine tags an eine Fassade anzubringen, schränkt die Freiheit desjenigen ein, dem das Haus gehört – und der das Recht hat, selbst zu bestimmen, wie aussieht, was sein Eigentum ist. Jeder tag stört den sozialen Konsens und stellt ihn infrage, indem er Privatbesitz zugleich anzweifelt und zum frei verfügbaren Raum erklärt – und diesen symbolisch selbst in Besitz nimmt.
Gut gemachte Schriften, besonders in 3D und mit interessanten Farben mögen ihren Reiz haben. Wesentlich sympathischer sind mir Bildgehalte, die eine verständliche oder auch verschlüsselte Aussage haben. Und da hab ich schon einige gute Sachen fotografiert. Für mich ist es da egal, ob das Bild auf Leinwand oder Mauer vorhanden ist – Hauptsache Aussage und handwerkliches Können ist vorhanden. Eine besondere Form ist die des politischen Statements.
Manchmal sind das leider auch bloß Schmierereien wie dieses blöde ACAB