06.11.23

Die Holzbildhauer Verginer

 Bei meiner Tour durch Iphofen kam ich in die Galerie MAXART . Dort gab es eine Ausstellung mit sieben Künstlern  unter dem Titel Sieben auf einen Streich:

Besonders die Skulpturen haben mich fasziniert. Und deshalb hab ich mal über die 3 Verginer recherchiert.

links: der Vater Willi Verginer / daneben die Zwillingsbrüder Matthias (rechts) und Christian (Mitte)

Willi Verginer (Jahrgang 1957) stellt international aus und arbeitet sehr vielfältig: (Siehe links)









Christian Verginer (Jahrgang 82) stellt auch international aus und hat vielfältige Ideen:



ist in Iphofen zu sehen - nicht gemalt, alles geschnitzt !

jedes Blatt aus Holz



Auch Matthias Verginer (Jahrgang 1982) hat seine eigene Art. In Iphofen sind ältere, kleine Werke ausgestellt, die viel Ironie beinhalten. Heute produziert er größer und stellt auch international aus.


Eine Aktion 2015 Titel: Climate Change







Und ist es ein Wunder, dass Werke von diesen 3 in Iphofen ausgestellt sind? Es hat eine Vorgeschichte, die mit dem Gründer der Galerie zusammenhängt.


Das ist Paul Streck im Jahr 2013. Er hat mit seiner Frau Maria 2002 die Galerie ins Leben gerufen. Hier ein Interview:

Frage: Unter der Woche leiten Sie ein Unternehmen für Filterelemente für Versickerungsanlagen, am Wochenende sind Sie Galerist. Wie sind Sie zur Kunst gekommen?

Paul Schreck: Ich habe beruflich in jungen Jahren den Zeichner Horst Janssen aus Hamburg kennengelernt. Er hat mich an die Kunst herangeführt. Es war bei meiner ersten Stelle. Der Chef beauftragte Janssen ein Firmenlogo, Weihnachtskarten und so weiter zu gestalten. Dieser  erstaunliche, oft versoffene Typ kam zu mir ins Labor und bat mich, Farben für ihn zu mischen. Das war der Anstoß. Ich habe angefangen, Grafiken zu sammeln – wie man das halt so macht, wenn man jung ist und wenig Geld hat. Nach und nach habe ich mich mehr mit Kunst beschäftigt, habe guckt und gesammelt.

Sie arbeiten und leben in Kreuzwertheim, Ihre Galerie Max-21 allerdings ist in der Iphöfer Altstadt. Was steckt dahinter?

Schreck: Ein glücklicher Zufall hat uns Ende der 90er Jahre nach Iphofen geführt. Und so ist uns Iphofen eine zweite Heimat geworden.

Glücklicher Zufall?

Schreck: Ja, eine Anzeige in der Zeitung. Ein Haus stand in der Iphöfer Altstadt zum Verkauf.

Damit war die Idee geboren, eine Galerie aufzumachen?

Schreck: Nein. Die kam später. Eigentlich waren wir nur auf der Suche nach einem Platz für unser Auto und andere Sachen. Ein Nachbar erzählte uns, dass das Anwesen in der Maxstraße 21 verkauft wird. Die Räume waren ideal zur Verwirklichung einer Galerie geeignet.

Sie stellen Werke von international bekannten und anerkannten Künstlern aus. Eine Galerie in einer Großstadt erscheint da sinnvoller. Warum haben Sie sich für das Land entschieden?

Schreck: Zum einen hat Iphofen ein besonderes Flair, zum anderen sind die Menschen in den Großstädten von zahllosen Events überfrachtet. Ein Kunstkauf ist etwas Besonderes und braucht eine besondere Stimmung und Atmosphäre.

Lieber ein Gemälde oder eine Skulptur? Warum?

Schreck: Das kann man nicht generell sagen. Jedes Kunstwerk braucht seinen Platz. Bei Bildern braucht man immer eine freie Wand. Die Architektur geht zu Glas, wird offener. An welche Wand soll man da ein Bild hängen? Eine Skulptur kann man auch auf die Terrasse oder in den Garten stellen.

Wer kommt zu Ihnen die Galerie?

Schreck: Unsere Besucher kommen aus ganz Europa. So hatten wir vergangenes Wochenende unter anderen Gäste aus Schweden. Häufig kommen unsere Gäste aus den Ballungsräumen in Deutschland, teilweise gezielt, teilweise zufällig. Dann Faktor Iphofen darf man nicht unterschätzen.

Wie viele Ausstellungen haben Sie schon organisiert? Welche ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben. Warum?

Schreck: Bislang organisierten meine Frau Maria und ich seit der Galerie-Eröffnung 2002 etwa 50 Ausstellungen. Alle Ausstellungen hatten ihren eigenen Charakter. Besonders in Erinnerung ist uns die erste Ausstellung im März 2002 mit Bildern von Otto Modersohn aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts aus Iphofen und Umgebung . Modersohn war einer der Gründer der Künstlerkolonie Worpswede. Ich wusste lange nicht, dass er einen Bezug nach Iphofen hatte. Uns ist es gelungen, 15 Gemälde zu zeigen und auch welche zu verkaufen. Stolz bin ich, dass zwei Bilder in Iphofen geblieben sind.

Am Sonntag, 27. Oktober, eröffnet die neue Ausstellung Deberieda der Bildhauerfamilie Verginer. Was heißt das?

Schreck: Deberieda ist ladinisch und heißt gemeinsam. Die Familie Verginer gehört zum Volksstamm der Ladiner, also zu einer einer Sprachengemeinschaft in Südtirol, und spricht in der Familie ladinisch.

Die Verginers, ein Vater und seine Zwillingssöhne, zeigen Holzskulpturen, die so gar nichts mit grob geschnitzten Heiligenfiguren zu tun haben. Was ist das Besondere an dem Trio und ihren Arbeiten?

Schreck: Matthias, Christian und Willy Verginer kommen schon aus der Tradition der Herrgottsschnitzerei des Grödnertals, sind jedoch über das Handwerkliche hinausgewachsen. Auch wenn alle drei zusammen in einer Werkstatt arbeiten, haben sie alle haben ihren eigenen Stil entwickelt und stellen mittlerweile in der ganzen Welt erfolgreich aus.

Von dieser Ausstellung gibt es noch einen Zeitungsartikel

2012 war ich mit Geli in Iphofen und habe die Fassade des Galeriegebäudes fotografiert. Diesen Mann, der aus dem Fenster lugt, fand ich orginell:

Jetzt ist mir klar, dass es den Paul Streck darstellt !!

Der Herr , der mich durch die Ausstellung begleitete, war nicht der Streck. Die Galerie firmiert jetzt auch unter Maria Mienek (wahrscheinlich die Frau von Streck). Wahrscheinlich ist er verstorben, denn Paul Schreck wurde 2020 als Geschäftsführer von Maria Mienek abgelöst und ging bald darauf in die Liquidation. Auflösung dann Ende 2020.

Die Figur im Fenster gibt es nicht mehr, dafür aber ein Gemälde von ihm ! So geht dann alles seinen Gang .... 

 


11.07.23

Der Mäzen Klutentreter

 

2010 wäre Kurt Klutentreter 100 Jahre alt geworden. Der im Alter immer eigenwilliger und schrulliger gewordene Unternehmer, der 2000 starb, war einer der ganz großen Mäzene der Stadt. Er stiftete Millionen.

In Kurzform: Lehre als Industriekaufmann in einer Bleistiftfabrik, anschließend Auslandsreisender. Nach dem Zweiten Weltkrieg Gründung der „Papyrus“-Wellpappe- und Kartonagenfabrik, er war bis 1994 beruflich tätig. Firmensitz bei der späteren Quelle in der Wandererstr. 105/107 .

In der Langform (Artikel AZ):Den Grundstein für sein beachtliches Vermögen legte er gleich nach dem Krieg. Er machte mit den Papierabfällen, die bei den Nürnberger Prozessen in gewaltigen Mengen anfielen, richtig Geld.

Pfiffig war Kurt Klutentreter schon immer. Weil er auch noch in der Lage war, Sprachen schnell zu lernen, reiste er für seinen Arbeitgeber, eine Bleistiftfirma, schon in jungen Jahren durch die ganze Welt. Als Repräsentant des Unternehmens begriff er auch schnell die Kunst der im Geschäftsleben notwendigen Diplomatie. Das sollte ihm zugute kommen, als er in den unmittelbaren Nachkriegsjahren auf der Suche nach Beschäftigung durch das zerstörte Nürnberg zog. Weil er damals in Muggenhof wohnte, kam er häufig auch am Justizgebäude in der Fürther Straße vorbei. Das änderte sein ganzes Leben.

Mit höchstem Interesse beobachtete er, wie amerikanische Soldaten ganze Papierberge, derer sie kaum Herr wurden, in alten Ölfässern verbrannten. Es waren die Abfallprodukte der Nürnberger Prozesse. Zum einen Teil handelte es sich um Prozessakten. Es gab damals keinen Computer, keinen Drucker. Alle Dokumente wurden von Sekretärinnen mit der Schreibmaschine getippt. Waren Fehler enthalten, musste die Seite samt Durchschlägen neu getippt werden.

Um den Umfang zu verdeutlichen: Allein das Sitzungsprotokoll des Auftaktprozesses umfasste 16.000 Seiten, musste in vier Sprachen übersetzt und in Dutzenden von Ausfertigungen geschrieben werden. Abfall produzierende Fehler en masse waren da gar nicht zu vermeiden. Vergrößert wurde der Papierberg durch die Unmengen von Verpackungsmaterial, die zum Beispiel bei der Versorgung der Tausenden Mitarbeitern anfielen.

Kurt Klutentreter erkannte sofort, dass dieses Papier Gold wert war. Im Nachkriegsdeutschland mit seiner völlig zerstörten Infrastruktur gab es nämlich so gut wie keines. Mit seinen exzellenten Englischkenntnissen, seinen auf internationalem Parkett geschliffenen Umgangsformen und seinem geschäftlich erlangten Verhandlungsgeschick überzeugte er die Amerikaner, die Entsorgung der Papierberge ihm zu überlassen. Er ließ sie zu Pappkartons verarbeiten, die ihm regelrecht aus den Händen gerissen wurden. Es war der Grundstock für seine Firma "Papyrus Wellpappe", die er 1948 gründete - und mit der er viele Millionen verdiente. 

 Das Narrenschiff am Eingang zum Hauptmarkt in Nürnberg ist eine seiner Stiftungen.


Auch der Norisbrunnen im Archivpark geht auf seine Initiative und Finanzierung zurück.


Sein Entwurf  wurde von der Stadt nicht akzeptiert, aber er hat trotzdem das Geld für den bestehenden gegeben. In einer Tafel wurde der Anlass damals dargestellt.


Diese Tafel wurde nach seinem Tod neu gestaltet und der letzte Satz wurde getilgt !!


Jetzt nach Geschmack der Stadt erstellt, er ihm nicht sonderlich gefällt ...

Die Quereleien mit der Stadt sind vorzüglich in einem Film der Medienwerkstatt von Michael Aue im Gespräch mit Klutentreter dargestellt.

Hervorzuheben ist noch, dass er zwei Stadtmauertürme am Maxtor renovieren  und dort Studentenwohnungen einrichten ließ.

Auch für die Errichtung des Krakauerhauses am Tratzenzwinger hat er großzügig gespendet.

Sogar eine Fußgängerbrücke am Luitpoldhain über die Bayernstrasse wurde von ihm gestiftet.

Eine Autobiographie gibt es noch im Antiquariat: 

Im Spätherbst eines Lebens wurde „Kluti" sogar noch berühmt. Seine Eskapaden hinter dem Steuer seines Mercedes 280 E flimmerten über alle Kanäle. Mehrfach wurde er beim Fahren ohne Führerschein erwischt, einmal sogar unmittelbar nach einem Gerichtstermin, bei dem ihm die Fahrerlaubnis erneut entzogen worden war. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass er bei dieser Gelegenheit auf dem Gerichtsparkplatz auch noch den Wagen einer Staatsanwältin kratzte. Gut konnte das nicht gehen. Kurt Klutentreter wurde wegen seiner brillanten Vermögenslage zu einer sechsstellige Geldstrafe verurteilt. Bezahlt hat er sie erst nach einer Mahnung.

Auf alle Fälle war er ein Original !


09.01.23

Putins Verblendung

Der zerstörerische Wahnsinn dieser Machthaber in der Russischen Föderation unter der Regie von Putin verfolgt uns täglich.

In einer Kontraste Sendung vom 4.8.22 wird recht gut das imperialistische Weltbild des Kremls dargestellt. Erwähnt wird dabei, dass Putin den russischen Philosophen Iwan  Iljin sehr verehrt.

Zitat aus Wiki: Der russische Präsident Wladimir Putin beruft sich bei seiner spezifisch russischen Gesellschaftsphilosophie, die auf religiösen Werten beruhe, auf Iljin. Ulrich Schmid nannte Iljin den Stichwortgeber des neuen Putin’schen Nationalismus. Die russische Präsidialverwaltung verteilte im Januar 2014 „Unsere Aufgaben“ an Gouverneure, wichtige Beamte und die Kader von Einiges Russland, nachdem der „geliebte und gefürchtete“ (Eltchaninoff) Präsident u.a. Iljin zitiert hatte. Putins diskrete Bezugnahmen auf Iljin von 2000 bis 2008 hätten sich nach 2012 verstärkt. Die in den Reden vermittelte Doktrin „verspricht dem Rest der Welt eine eher unruhige Zukunft“, so Michel Eltchaninoff im Jahr 2014.[14] Der US-amerikanische Politikhistoriker Timothy Snyder analysierte in seiner Studie The Road to Unfreedom („Der Weg in die Unfreiheit“, deutsch 2018) das politische Denken Putins, das er als „Politik der Ewigkeit“ bezeichnet, und wies dabei eindrücklich auf die prägende Bedeutung des Gedankenguts Iljins sowie auf die davon ausgehenden Gefahren hin.[15]

Putins Lieblingsautor Iwan Iljin beschreibt eine verworrene und zerbrochene Welt, die Russland mit Gewalt heilen müsse, und zwar mithilfe eines starken Führers, der die Demokratie zum reinen Ritual macht. Das Projekt heißt: Die Welt ist nicht sie selbst, solange sie nicht russische Werte lebt.“

Timothy Snyder[16]

Im Jahre 2005 ließ Putin Iljins Leichnam in der Schweiz exhumieren und im Moskauer Donskoikloster, wo auch Puschkin und Solschenizyn liegen, bestatten. Putin war persönlich dabei. Für Patriarch Alexis II war das ein Zeichen für die Einheit von Kirche und Nation. Ein Jahr später ließ Putin Iljins Nachlaß aus der Michigan State University holen. 2009 legte Putin unter Medienbeobachtung erneut Blumen am Grab von Iljjn nieder. Seither hat er Iljin als „Begründer eines christlichen Faschismus“ bei seinen jährlichen Ansprachen im russischen Parlament regelmäßig zitiert.

Putin zitierte Iljins ‚0rganisches Modell‘ russische Staatlichkeit, wonach die Ukraine ein untrennbares Glied des jungfräulichen Körpers sei“

Iljin gilt als der „Säulenheilige der konservativen russischen Staatsideologie“, der Putin bestätigt: Immer missbraucht der dekadente Westen die russische Unschuld. Als Geschichtsstudenten Putin fragten, welche Autorität ihr Fach habe, antwortete Putin nur kurz; „Iljin“. Denn dieser habe die Lehre von der „reinen und unschuldigen russischen Nation, einem natürlichen und beseelten Organismus“ vertreten, „ohne durch die Erbsünde belastet zu sein“. Dimitri Medwedew, der Vorsitzende von Putins Partei, empfahl Iljin der russischen Jugend zur Lektüre: „Mein Gebet ist mein Schwert, mein Schwert das Gebet“.

Weitere Einzelheiten hier.

Erwähnt wird auch die sogenannte Neue Chronologie. Die Behauptung: bereits im 16. Jahrhundert hätten westliche Chronisten die Geschichte gefälscht und um 1.000 Jahre verlängert, um Russlands Bedeutung zu schmälern. Anatolij Fomenko, Mathematiker an der Moskauer Staatlichen Universität hat sich diese Verschwörung ausgedacht. Zufällig konnte ich in einem Buch von K-M Gauß von diesem Herrn lesen: Der Mathematiker Formenko leitet an der Lomonossow-Universität ein eigenes Institut und erhielt auch schon den Staatspreis für Wissenschaften der Russischen Föderation. Daraufhin begann ich zu recherchieren, denn alles klingt sehr obskur.

"Die zentrale Botschaft der Neue Chronologie ist, dass Russland was besonderes ist, weil Russen früher ganz Europa bevölkert haben und auch auf dem Gebiet Chinas waren Russen."

Fomenkos meint in einem Vortrag: Die Krim ist  der Geburtsort Christi - und der europäische Kontinent wurde ursprünglich von Russen kolonialisiert. Die Neue Chronologie beschreibt also einen eurasischen Großraum unter russischer Führung. Es sind Gedanken, die auch von Politikern aufgegriffen werden: wie von Sergej Glasjew, einem Berater Putins. Im September 2020 schlägt er in einem Artikel vor, die Neue Chronologie als Basis für eine neue Geschichtsschreibung zu nutzen.

Im Jahr 2000 hat sich Micha Gabowitsch über die damals in Deutschland recht unbekannte neue russische Geschichtsschreibung ausführlicher Gedanken gemacht. 

Im esoterischen Bereich scheint man sich auch auf Formenko zu berufen und großartige Verschwörungstheorien zu entwerfen.

Bezeichnend ist, dass kurz nach der oben erwähnten Kontraste-Sendung auf Russia Beyond dieser Formenko sehr negativ dargestellt wird. Das scheint ein Schachzug der Propaganda zu sein, denn diese Seite veröffentlicht üblicherweise keine Nachrichten mit politischen und ideologischen Inhalten. Zuerst als Printmedium hat es die Aufgabe ein positives Bild des Landes darzustellen. Der Krieg wird nirgends erwähnt.