Bei meiner kurzen Bahnreise nach Augsburg fand ich im Lechgebiet an einem Haus folgende Tafel vor:
Das hat mich interessiert und zu Hause hab ich dann recherchiert. Zur besseren Lesbarkeit hier eine aufgehübschte Aufnahme:
Wer waren diese Täufer oder auch Wiedertäufer?
Die andere Reformation (https://mennonitengemeinde.de/die-andere-reformation.html)
Gartengeschwister wurden sie in Augsburg genannt. Um die 1000 sollen es zwischen 1526 und 1528 gewesen sein. Von ihren Gegnern wurden sie als Ketzer, Aufrührer, Wiedertäufer, Schwärmer, Himmelsstürmer, neuer Tauforden oder neue Möncherei diffamiert. Die historische Forschung spricht heute von Täuferbewegung oder „radikaler Reformation“. Sie übten Kritik an der Säuglingstaufe und wollten wie die frühe Kirche nur Erwachsene taufen. Die Taufe sahen sie als Zeichen der Entscheidung, Jesus nachzufolgen. Viele verweigerten der Obrigkeit den Waffendienst, weil sie Jesu Gebot der Feindesliebe ernst nehmen wollten. Das machte sie bei den Mächtigen nicht beliebter. Vom Augsburger Stadtrat und der offiziellen Reformation in den Untergrund abgedrängt, wurden sie schließlich gewaltsam vertrieben. Fast überall im „Heiligen Römischen Reich deutscher Nation“ waren sich die entstehenden lutherischen und reformierten Kirchen mit der katholischen Kirche und den jeweiligen Landesherren einig: Als „Aufrührer“ und „Gotteslästerer“ müssen die Täufer kriminalisiert, verfolgt und vernichtet werden. Luthers Mitarbeiter Philipp Melanchthon verdammte die „Wiedertäufer“ im Augsburger Bekenntnis in vier Artikeln. Ein gemeinsames Feindbild sollte Brücken bauen zur katholischen Religionspartei. In Gutachten empfahl Melanchthon die Todesstrafe für halsstarrige Täufer.
Vorgeschichte:
Augsburg zählt mit seiner über 2000-jährigen Geschichte zu den ältesten
Städten Deutschlands. Seit Mitte des 12. Jahrhunderts war Augsburg Freie
Reichsstadt, die sich zu einem herausragenden wirtschaftlichen Zentrum
entwickelte. Die Familien der Fugger und Welser beeinflussten mit ihrem
Geld sowohl die Kaiserwahl wie auch den Ablasshandel des Papstes. Durch Martin Luther
wurde Augsburg schließlich zu einem der Dreh-und Angelpunkte der
Reformationsgeschichte. Luther kam im Oktober 1518 nach Augsburg, wo er
sich im Karmeliterkloster St. Anna aufhielt. Die Gespräche mit Kardinal
Cajetan im Hause Jakob Fuggers blieben ohne Resultat und damit ohne den
gewünschten Widerruf seiner 95 Ablass-Thesen.
Die Confessio Augustana, das Augsburger Bekenntnis, hat als evangelische Bekenntnisschrift bis heute Gültigkeit. Bei der Übergabe der
Glaubensschrift am 25. Juni 1530 spielte Martin Luther erneut eine
wichtige Rolle. Von Coburg aus verfolgte er das Geschehen und tauschte
sich im Vorfeld schriftlich mit den in Augsburg versammelten Theologen,
insbesondere mit Philip Melanchthon über die darin formulierten Artikel und Grundsätze aus.
Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 sollte die
Anhänger der Confessio Augustana mit den Anhängern der
römisch-katholischen Kirche gleichstellen – also das friedliche
Zusammenleben verschiedener Konfessionen ermöglichen. Dies war ein
erster wichtiger Versuch, eine rechtliche Lösung für die religiösen
Konflikte zwischen Katholik*innen und Protestant*innen zu finden. Dem
Augsburger Religionsfrieden ist eine der längsten Friedensperioden im
Reich (von 1555 bis 1618) zu verdanken. Den 30-jährigen Krieg konnte er
jedoch nicht verhindern. Am 8. August 1629 wurden in Augsburg alle
evangelischen Prediger entlassen und die Kirchen geschlossen oder
abgerissen. Erst durch den Westfälischen Frieden im Jahr 1648, der die
Religionskriege beendete, erhielt die evangelische Glaubensgemeinschaft
ihre Kirchen zurück. Die Stadtverfassung besiegelte die Parität – also
die Gleichbehandlung der Konfessionen in allen öffentlichen Ämtern –
allerdings beschränkt auf den evangelischen und katholischen Glauben.
Und hier kam Susanne Daucher schon 1528 zwischen die Mahlsteine der Religionen. Sowohl ihre Schwester als auch ihre gemeinsame Mutter gehörten ab 1527 der Augsburger Täufergemeinde an. Um 1515 heiratete sie den in Stuttgart geborenen Bildhauer und Medailleur Hans Adolf Daucher, der gemeinsam mit seinem Vater Adolf Daucher († zwischen 1523 und 1525) eine Bildhauerwerkstatt betrieb. Beide werden heute zur so genannten Ulmer Schule gezählt und galten schon zu Lebzeiten als bekannte Vertreter ihres künstlerischen Handwerks.[2] Aus der Ehe mit Hans Daucher gingen mindestens zwei Kinder hervor, die im Frühjahr 1528 drei und sechs Jahre alt waren. Ein drittes Kind war zu diesem Zeitpunkt unterwegs. Ob Susanna es lebend zur Welt gebracht hat, ist unbekannt. Hans Daucher wurde allerdings später als „Vater von drei Kindern“ vorgestellt.
Dass Susanna Daucher in der Stadtgeschichte Augsburgs Erwähnung findet, steht im Zusammenhang mit ihrer Mitgliedschaft in der Augsburger Täufergemeinde, deren Anfänge auf das Jahr 1525 zurückgehen und deren Entstehung sowie deren überregionale Bedeutung mit den Täuferpersönlichkeiten Ludwig Hätzer, Balthasar Hubmaier, Hans Denck und Hans Hut eng verbunden sind.[3] Auf welche Weise Susanna Daucher zur Täufergemeinde Kontakt fand, ist nicht überliefert. Belegt ist aber, dass sie sich im November 1527 gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Schwester Maxentia Wisinger gegen den Willen ihres Ehemannes taufen ließ. Ort der Taufe war das Haus des Spitzenklöpplers Huber. Als Täufer wird ein gewisser Thomas oder auch Thoman erwähnt. Wahrscheinlich handelte es sich um den aus Memmingen stammenden Thomas Waldhausen[4], der wenige Monate zuvor an der Augsburger Märtyrersynode als Mitglied der „Fraktion“ Hans Huts teilgenommen hatte.[5] Susanna Daucher veranstaltete Bibellesekreise für Frauen und legte biblische Texte aus. Sie nahm an Täufertreffen außerhalb Augsburgs teil, so zum Beispiel in Radegundis beim Schloss Wellenburg, das heute im Augsburger Stadtteil Bergheim liegt. Auch war sie im diakonischen Bereich tätig und unterstützte arme Frauen, insbesondere Witwen.
In den Tagen vor Ostern 1528 fanden in Augsburg mehrere Täuferversammlungen statt, die in Privathäusern abgehalten wurden. So traf man sich am Sonnabend vor Palmsonntag zu einer Abendmahlsfeier im Keller des Wohnhauses der Täuferin Barbara Schleifer und anschließend zu einer Versammlung, zu der Georg Nespitzer eingeladen hatte und bei der es um die Klärung theologischer Lehrfragen ging.[6] Nespitzer stand zu diesem Zeitpunkt wohl noch ganz unter dem Einfluss der an Thomas Münzer orientierten Hutschen Theologie, die von einer „brennenden Naherwartung“ der Wiederkunft Christi geprägt war.[7] Hut (und wohl auch Nespitzer) rechneten damit, dass mit dem Pfingstfest 1528 das Gericht Gottes über alle Gottlosen beginnen würde. Am Sonnabend vor Ostern (11. April 1528) fand eine weitere Begegnung statt – diesmal im Haus des Augsburger Bürgers Gall Fischer, der aber zu dieser Zeit auf einer Missionsreise war. Georg Nespitzer und Claus Schleifer leiteten die gottesdienstliche Zusammenkunft, bei der auch einige Gläubige getauft wurden. Man verabredete sich zum Ostergottesdienst am folgenden Sonntag im Haus an der Schleifergasse 10, der Wohnung der Familie Daucher.[8] Hans Daucher war zu dieser Zeit berufsbedingt in Österreich unterwegs.
Die Verantwortlichen der Stadt Augsburg hatten schon längere Zeit zuvor per Ratsbeschluss die Aufnahme und Bewirtung von Täufern strengstens verboten. Susanna Daucher verhängte deshalb bei der Vorbereitung des Gottesdienstes vorsorglich die Fenster ihres Hauses mit Tüchern. Die rund 100 Personen, die sich im Daucher-Haus zum Gottesdienst eingefunden hatten, konnten aber in der Enge des Augsburger Lechquartiers nicht verborgen bleiben.
Das Treffen wurde bei den städtischen Behörden denunziert. Nespitzer und sein Mitältester Hans Leupold müssen die drohende Gefahr geahnt haben. Beide warnten die Versammlung, doch die meisten Gottesdienstbesucher blieben. Der Stadtrat beorderte bewaffnete Polizeikräfte und ließ das Haus umstellen. Nach etwa einer Stunde erfolgte der Zugriff. 88 Personen wurden verhaftet, in Eisen gelegt und zum Rathaus verbracht. Unter ihnen befanden sich 39 nicht ortsansässige Täufer und Täuferinnen, die bereits am folgenden Tag mit der Peitsche, einige auch nach Kennzeichnung durch „den Brand auf den Backen“, der Stadt verwiesen wurden.[9] Die Augsburger Bürger und Bürgerinnen unterzog man peinlichen Verhören. Susanna Daucher verteidigte sich unter anderem mit dem Argument, dass auch in häuslicher Umgebung gemeinsames Bibellesen und Beten nicht verwerflich sein könne. Am Ende der gerichtlichen Untersuchungen stand der so genannte „Verruf“, mit dem die schwangere Susanna Daucher aus der Stadt vertrieben wurde und der heute zu den Ausstellungsobjekten der Lutherstiege Augsburg gehört:
„Susanna Daucher, genannt Adolfin von Augsburg[10], hat gegen die getreue Warnung, die der ehrbare Rat der Stadt Augsburg hat verkünden und anschlagen lassen die besagt, dass niemand die Wiedertaufe annehmen sollte, dass zusammenkommen und sich versammeln von Wiedertäufern verboten ist und mit Leibes- und Lebensstrafen bestraft wird, die Wiedertaufe angenommen. Sie hat Wiedertäufern zu Essen gegeben, sie mit Speis und Trank versorgt, in ihrer Wohnung hat sie eine verbotene Versammlung zugelassen und Versammlungen an anderen Orten besucht. Darum hat dieser Rat beschlossen, dass sie mit dem Brand auf ihren Backen bezeichnet werden sollte. Da sie aber schwanger ist, wurde sie begnadigt, damit sie aus der Stadt geführt werde. Ihr Leben lang darf sie nicht mehr in dasselbe Gebiet kommen, auch nicht in einen Umkreis von sechs Meilen. Danach habe sich jedermann zu richten. Gegeben am 21. April Anno 1528.[11]“
Am Tag der Urteilsverkündung wurde Susanna Daucher unterhalb des Rathauserkers an den Pranger gestellt.[12] Anschließend wurde der Ausweisungsbeschluss umgehend vollzogen. Die beiden Kinder musste Susanna Daucher zurücklassen; sie wurden unter Pflegschaft gestellt. Als der Ehemann, der im Blick auf das Geschehene ahnungslos war, von Wien zurückkehrte, war seine Existenz durch den Verlust seiner Familie und den Einzug seines Vermögens ruiniert. Damit war auch seine künstlerische Tätigkeit beendet; nach dieser Zeit ist – soweit bekannt – kein Werk mehr von ihm entstanden. Ab 1530 führte man Hans Daucher in den städtischen Steuerlisten als „Habnit“ (= Habenichts). Er verzog nach Württemberg, wo er gegen geringen Lohn eine Anstellung bei Herzog Ulrich fand. Um 1537 starb Hans Daucher in einem Siechenhaus in der Nähe von Stuttgart. Ob er seine Ehefrau wiedergesehen hat, muss eine offene Frage bleiben. Susanna Dauchers weiterer Lebensweg bleibt ebenfalls im Dunkeln. Vermutungen gehen dahin, dass sie – wie andere vertriebene Täufer auch – in Stuttgart eine neue Heimat fand.
Ab 1526 gab es in Augsburg also mit der Täuferbewegung eine dritte reformatorische Richtung. Wegen ihrer Ablehnung der Kindertaufe und der staatlichen Gewalt wurden sie jedoch vertrieben, einer ihrer Prediger 1528 hingerichtet. Sie gelten als Vorläufer der pazifistischen Bewegung und der Freikirchen. Die Bezeichnung „Mennoniten“ erhielten sie später nach dem niederländischen Täufer Menno Simons.
Die heutige Gemeinde entstand 1912 in Donauwörth. Vierzehn Jahre später verlegte sie ihren Sitz nach Augsburg. Gegründet wurde sie von mennonitischen Bauernfamilien, die aus der Pfalz und Baden kamen und freie Hofstellen in der Region Augsburg pachten konnten. Die heute 40 Gemeindemitglieder leben weit verstreut, nur wenige direkt in Augsburg.
Heute bezeichnet sich Augsburg als Friedensstadt. hat einen eigenen Feiertag und organisiert verschiedene Veranstaltungen zum Thema Frieden ...
Interessant ist hier vielleicht noch der umfangreiche Atlas der Religionen für Augsburg.