30.12.20

Richter, Beuys, Ücker und Polke

 Im Film „Werk ohne Autor“ tauchen im letzten Drittel vier Künstler auf, die sich in den 60-er Jahren an der Kunstakademie Düsseldorf begegneten. 

In jenen Jahren besuchte ich in der Galerie Defet mit meinem Freund Ede Wolf das erste Mal Kunstaustellungen, machte einen Kunstkurs im Jugendzentrum bei Bodo Boden mit, verdiente mir bei der Nürnberger  Biennale 69 Geld als Aufsicht und hatte Anfang der 70er  Kontakt zu den damaligen Kunsterziehern  Michael Popp und Wolfgang Zacharias (beide schon verstorben). Von Beuys und Ücker hatte ich Ahnung - von Richter und Polke wusste ich nichts.

Der Film zeigt recht gut, wie damals der Kunstbetrieb im Umbruch war. Malerei, Zeichnung und Druck waren in der Moderne aus. Aktion, Happening, Objektkunst waren in. Im Film erscheint als Randfigur in der Akademie HA Schult, der damals z.B. mit einer Ente ein paar Mal zwischen München und Hamburg hin und herfuhr. Die Windschutzscheiben mit den toten Insekten drauf wurden dann als Kunstobjekt verkauft ...

Beuys war damals bekannt als Margarine und Filzkünstler. Mit Hut und Anglerweste gerierte er sich oft als Kunstschamane und orientierte sich an der Anthroposophie Steiners. Fälschlicherweise oft Joseph Beuys zugeschrieben wird die deutsche Übersetzung eines Gedichts mit dem Titel „Jeder Mensch ist ein Künstler“ (Alternativtitel auch „Anleitung zum guten Leben“, „Lebe!“ oder benannt nach der ersten Zeile „Lass dich fallen“), das seit Jahren im Internet kursiert. Das englischsprachige Original („How to be an artist“) ist von der amerikanischen Künstlerin Sark

Im Film wird in einer eindrucksvollen Szene seine Geschichte von der wundersamen Rettung nach einem Flugzeugabsturz im Krieg wiedergegeben. Der Absturz mit seiner Nachgeschichte diente Beuys als Stoff einer Legende, der zufolge nomadisierende Krimtataren ihn „acht Tage lang aufopfernd mit ihren Hausmitteln“ (Salbung der Wunden mit tierischem Fett und Warmhalten in Filz) gepflegt hätten. Diese Legende, die Beuys’ Vorliebe für die Materialien Fett und Filz erklären sollte und die Beuys in einem BBC-Interview ebenso beschrieb, hat auch sein Biograph Heiner Stachelhaus bis zuletzt vertreten. Einer Recherche des Künstlers Jörg Herold zufolge wurde Beuys schon bald nach dem Absturz von einem Suchkommando gefunden, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung über Herolds Spurensuche auf der Krim in einem Bericht vom 7. August 2000 meldete. Der acht- bis zwölftägige Aufenthalt bei den Tataren, wie ihn Stachelhaus und andere überliefern, wurde schon 1996 von Beuys’ eigener Ehefrau Eva in Zweifel gezogen. Die Witwe stufte die von ihrem Ehemann immer wieder erzählte Geschichte als „Fieberträume in langer Bewußtlosigkeit“ ein.

Seine Eskapaden als Rektor der Akademie sollten politisch sein, hatten aber kaum Auswirkungen auf den späteren Lehrbetrieb.



Ücker war damals schon als der Nagelkünstler bekannt. Im Film wird recht gut gezeigt, wie souverän er mit dem Kunstmarkt und den neuen Richtungen umgeht. Seine Verbindung zu Richter war eng, da er auch mit dem realistischen Sozialismus der DDR aufgewachsen ist.


Ueckers Hauptwerke, wie seine genagelten Reliefs, werden am Kunstmarkt auf eine halbe Million Euro oder mehr taxiert, so z. B. „Spirale I“, 1968, bei Sotheby’s (New York) $ 600.000,- bis $ 800.000,- oder „Feld/Field“, 2012–13, bei Dorotheum (Wien) auf € 400.000,- bis € 600.000,-. Anfang der 1970er Jahre wurden solche Bilder noch mit umgerechnet etwa € 10.000,- gehandelt. Die städtische Kunstsammlung Bonn konnte ein solches Nagelbild sogar noch zum Freundschaftspreis von DM 4.000,- erwerben.

Auch Polke stammt aus der DDR. Seine Malerei ist dem postmodernen Realismus zuzuordnen (Kapitalistischer Realismus) und zitiert Ausdrucksweisen der Pop Art, ohne dass er dieser Stilrichtung zuzurechnen ist. Seine Haltung zur Malerei enthält stark ironische Elemente. 

Der Begriff Kapitalistischer Realismus wurde zwischen 1963 und 1966 von den Malern Gerhard Richter, Konrad Lueg, Sigmar Polke und Manfred Kuttner eingeführt, um unter diesem Titel Selbsthilfeausstellungen und Performances zu veranstalten.



Der erfolgreichste von ihnen und der mit hoher Anerkennung schließlich ist Gerhard Richter. Ich beschäftigte mich mit ihm erst 2015 näher als im Neuen Museum Nürnberg eine Sonderausstellung gezeigt wurde.


Im Film wird gut gezeigt der Übergang von seinen Experimenten in Düsseldorf, die ihn nicht befriedigen konnten, zu seiner Passion des Verfremdens von realistischen Motiven. Er legte Fotos unter ein Episkop und projizierte die nun stark vergrößerten Bilder auf eine leere Leinwand. Auf ihr zog er mit Kohle nach und pinselte Menschen wie Räume mit schwarzer, grauer und weißer Farbe aus.  Die noch nassen Farben übermalte er mit einem breiten Pinsel, zog die Konturen ineinander, egalisierte die Kontrastunterschiede.“


In der Ausstellung wurden Bilder aus verschiedenen Epochen gezeigt. Auch der Übergang zur farbigen Gestaltung mit neueren Werken. Bei manchen Bildern, die bestimmt ihren Preis hatten, kam mir aber der Gedanke, dass es sich um verunglückte Werke also Ausschuss handeln könnte. Wenn man mal einen Namen hat, kann man ja alles verkaufen. Mir hatten damals besonders gefallen:




Sehenswert ist eine Dokumentation über ihn (auf DVD erhältlich) in der seine Arbeitsweise in den letzten Jahren gezeigt wird: Mit riesigem Atelier, Assistenten, Planung von Ausstellungen und seiner aktuelleren Maltechnik.

Die Geschichte des Films "Werk ohne Autor" hat durchaus realistischen HintergrundDer Vater von seiner ersten Ehefrau Ema war Heinrich Eufinger, der im Zweiten Weltkrieg als SS-Obersturmbandführer die Dresdner Frauenklinik leitete und dort Zwangssterilisationen vornahm.  Eufinger wurde nach Ende des Krieges in einem sowjetischen Lager interniert, und rettete dort der Frau des sowjetischen Lagerkommandanten das Leben. So arbeitete er später in der DDR wieder als Chefarzt in gynäkologischen Abteilungen, ehe er in den Westen umsiedelte. 

In der Öffentlichkeit erfuhr der Name Eufinger erst durch die Werke des Malers Gerhard Richter postume Bekanntheit. Da Gerhard Richter in den Jahren 1957 bis 1982 mit Eufingers Tochter Ema verheiratet war, hat er auch seinen Schwiegervater Eufinger in den fünfziger und sechziger Jahren mehrfach porträtiert. 2004 wurde durch einen Zeitungsartikel im Tagesspiegel ein tragischer Aspekt in Gerhard Richters Familie bekannt. Seine Tante Marianne Schönfelder war im Februar 1945 in der zweiten Phase des nationalsozialistischen Euthanasie-Programms, der Aktion Brandt, nach ihrer Zwangssterilisierung durch systematische Unterernährung ermordet worden. Sein späterer Schwiegervater Heinrich Eufinger gehörte als SS-Obersturmbannführer und Verantwortlicher für die Zwangssterilisierungen in Dresden zu den Tätern. Gerhard Richter wusste bei seiner Heirat mit Ema Eufinger von diesen Zusammenhängen nichts. Er hat aber im Jahr 1965 mit dem Gemälde Herr Heyde, das die Verhaftung des hauptverantwortlichen SS-Arztes für die Massenmorde an körperlich und geistig behinderten Menschen zum Thema hat, die Euthanasie als einer der ersten bildenden Künstler in der Nachkriegszeit behandelt, und mit dem Gemälde Tante Marianne den Opfern der Euthanasie ein Gesicht gegeben. 

16.12.20

Brothers In Arms

 Da wegen verschiedener Einschränkungen längere Ausflüge in die Umgebung mit Besuch einer Gaststätte nicht möglich sind, lese ich viel und höre Musik ..

Seit Jahren ist mir da ein treuer Ohrwurm MARK KNOPFLER. Schon zu Zeiten der DIRE STRAITS gefiel mir dieses Gitarrenspiel und auch einige Texte.

hei_marie_d (e-mail code) hat eine umfassende Fan-Seite erstellt. Recht umfangreich und interessant. Scheint eine Frau zu sein (Heidi ?) ...

Hier hab ich mich schon mal mit seinem Song "Sailing to Philadelphia" beschäftigt. Heute möchte ich seinen Song "Brothers in Arms" vorstellen. 1996  spielte er diesen Song aus seinem ersten Soloalbum in London (also mit 47 Jahren)


Auf seiner Abschiedstour 2019 spielte er mit 70 diesen Song in der Royal Albert Hall.


Immer noch beeindruckend. 

Brothers in Arms Songtext

These mist covered mountains
Are a home now for me
But my home is the lowlands
And always will be

Some day you'll return to
Your valleys and your farms
And you'll no longer burn
To be brothers in arms

Through these fields of destruction
Baptisms of fire
I've witnessed your suffering
As the battles raged higher


And though we were hurt so bad
In the fear and alarm
You did not desert me
My brothers in arms

There's so many different worlds
So many different suns
And we have just one world
But we live in different ones

Now the sun's gone to hell
And the moon's riding high
Let me bid you farewell
Every man has to die

But it's written in the starlight
And every line in your palm
We're fools to make war
On our brothers in arms

Jeder Mann muss sterben
Doch es steht in den Sternen
Und in jeder Linie deiner Hand
Wir sind Narren Krieg zu führen
Gegen unsere Brüder in Waffen. 

In Wikipedia heißt es:

Das melancholische Lied wurde während des Falklandkrieges geschrieben und kann als Antikriegslied[3] bezeichnet werden. Zwar ist das Thema Krieg in dem Song zu Beginn nicht offensichtlich, da zunächst eine Naturkulisse besungen wird ("these mist covered mountains"), die immer stärker von Zerstörung ("these fields of destruction - Baptisms of fire") und Tod ("Now the sun's gone to hell - And the moon's riding high - Let me bid you farewell - Every man has to die") gezeichnet ist, doch die letzte Strophe drückt die Botschaft des Songs, den Irrsinn des Kriegs[4], explizit aus: "We're fools to make war - On our brothers in arms." Mark Knopfler erklärt, das Lied werde von einem auf dem Schlachtfeld sterbenden Soldaten gesungen, er als realer Sänger müsse sozusagen in dessen Sicht und Empfindungen eintauchen.[5] Sprachlich ist auch zu beachten, dass der Songtitel einen zunächst versteckten Doppelsinn enthält, den man im Deutschen mit "Waffenbrüder" und "Brüder in Waffen" ausdrücken kann: In den ersten beiden Strophen sind es die eigenen Kameraden, an die sich der Sprechende wendet, also die "Waffenbrüder". Erst in der Schlusszeile wird deutlich, dass auch alle gegnerischen Soldaten mit den "brothers in arms" gemeint sind.

2007 wurde eine Neuaufnahme des Liedes mit dem Sänger Mark Knopfler von der BBC aufgenommen. Sie wurde am 29. Mai 2007 als Downloadversion für das Vereinigte Königreich und Irland veröffentlicht. Ein Teil der Einnahmen diente der South Atlantic Medal Association, einer Organisation zur Unterstützung von Veteranen des Falklandkrieges, die teilweise auch Jahrzehnte nach dem Krieg unter körperlichen wie psychischen Folgen, z. B. posttraumatischen Belastungen, leiden. Der Frontmann der Dire Straits, Mark Knopfler, äußerte sich dazu 2007 folgendermaßen: „Ich fühle mich bewegt, dass das Lied Brothers in Arms, das ich während des Falklandkrieges geschrieben habe, dafür ausgewählt worden ist, viele Veteranen, die immer noch an den Folgen dieses Konflikts leiden, zu unterstützen.“ ("I’m touched that my song ‘Brothers in Arms’, which I wrote at the time of the Falklands war, has been chosen to support the many veterans who are still suffering from the effects of that conflict.") 



16.07.20

Am Wöhrder See

Kindheitserinnerungen:
Mein Schwimmbad war der Pulversee. Ein etwas trüber Weiher, der eine unterirdische Verbindung zur Pegnitz hatte. Sogar ein mit durch schwimmende Balken abgetrenntem Nichtschwimmerbecken ! Großzügige Liegewiesen und riesige Bäume. Zum Westen hin gab es noch Bauernwiesen und weidende Pferde. Die Pegnitz mäandernde durch das Tal und schoß bei der Feuerwehr und im zerbombten Wöhrd durch Wehre.
1967 und 1968 wurde der See langsam zugeschüttet und es entstanden die modernen Sportanlagen von Bayer 07 .
Wir von der Ostendstraße sind dann entweder ins Stadionbad oder ins Naturgarten ...

Auf diesem Photo kann man noch den Badesteg erkennen und die betonierte Plattform beim Einstieg in den See - beliebter Anlauf für die Arschbomben ...


Dieser Rest ist dann auch noch verschwunden:


Auf einer historischen Karte kann man ganz gut den Verlauf der Pegnitz mit ihren Nebenarmen, den See und das alte Pulvermagazin sehen.


Auf den Grundmauern des Magazins wurde nach dem Krieg das Loni-Übler-Heim gebaut. Ein Lehrlingswohnheim und auch mein Kindergarten der Arbeiterwohlfahrt.


Heute ist dort ein Kulturladen ...

Von 1968 bis 1972 wurde auch das Norikus gebaut. Ich kann mich noch gut an die zerbombte Zeltnerbrauerei erinnern, die vorher dort stand. Hier noch intakt:


Auf dem Schlot, der 69 gesprengt wurde, nisteten Störche...


Von der Eisenbahnbrücke beim Pulversee verlief damals bis Mögeldorf  der Johann-Sörgel-Weg durch die Wiesen. Verstreut gab es immer wieder mit Regenwasser gefüllte und mit Weidenbüschen umstandene Bombentrichter. Ideal zum "Lagerle"-Bauen. Mindestens einmal im Jahr war alles überschwemmt.
Am Fuß des Mögeldorfer Kirchbergs war damals noch die Satzinger Mühle in Betrieb.


Auch aus Gründen des Hochwasserschutzes wurde langsam der heutige Wöhrder See aufgestaut.
Hier ein kurzer Bericht.
Den heutigen Zustand des Stausees mit viel Grün an den Ufern kann man von Mögeldorf bis Wöhrd in einem durch Fotos unterstützten "Spaziergang" verfolgen.
Über die Entstehung des Sees gibt es hier eine Bildstrecke.

Ich war erst vor kurzem an der Badebucht und dem neuen Spielplatz unterhalb des Norikus an der Wasserwelt. Unter der Woche geht es ruhig zu und ist zum Ausspannen zu empfehlen ...




Ergänzung: Leider gibt es speziell in der Nacht Belästigungen, die mit hohem Aufwand eingegrenzt werden müssen ....

23.06.20

Schleuse 64

Das nette Schleusenhäuschen mit Garten und großer Wiese kenn ich schon länger. Es fiel mir auf, weil das Gedicht Desiderata in Ton geritzt  am Gartenzaun hing, daneben ein bunter Briefkasten und die Mitteilung, dass man dort für die Mieterin (?) gern eine schriftliche Mitteilung hinterlassen kann. Antwort wird garantiert.


Ich hab etwas eingeworfen, aber nie eine Antwort bekommen ....
Im März 2017 war ich wieder dort und hab über den Gartenzaun geschaut. Da hat sich etwas verändert:


Und als ich jetzt (Juni 20) wieder vorbei radelte, sah alles recht lebendig und interessant aus.





Die Mieterin (?) heißt Birgit Hoffman und hat leider nur eine facebook-Seite. Vielleicht treff ich die Künstlerin mal und kann mich mit ihr unterhalten ....



Über die Schleuse 64 und den alten Ludwigskanal hat  übrigens ein Hans Grüner gut recherchierte Beiträge mit vielen Fotos auf seiner Website erstellt. Chapeau !

Ein anderes "Kanalereignis" ist hier zu sehen .

22.05.20

Valznerweiher


Den Valznerweiher kenne ich schon aus meiner Jugendzeit. Zabo und das alte Clubgelände an der Siedlerstr. waren oft besuchte Orte.

Der Zu- und Abfluss des Gewässers, also Fisch- und Goldbach, waren einst wichtige Lebensadern der Stadt Nürnberg. Ihr mitgeführtes Wasser trieb Mühlen und Hammerwerke an.

Der Weiher selbst und seine Zu- und Abläufe sind saniert worden.
Zulauf des Fischbachs:

Auf dem jetzigen Gelände des 1.FCN (gegenüber des Valznerweihers) war während der
Reichparteitage die KDF-Stadt aufgebaut. Eine Tafel am Weiher informiert darüber.

Auch die Gaststätte auf der Insel des großen Valznerweihers zeigt sich erneuert.


Die Insel hat eine lange Tradition als Ausflugsmöglichkeit für die Nürnberger. Bereits Mitte des 19.Jahrhunderts hat hier ein Fabrikant Weber eine Wirtschaft betrieben. Man konnte damals dort eine Kahnpartie machen . Später mussten sich die Wirte noch mehr an Unterhaltung einfallen lassen. 1902 hat man als besondere Attraktion eine Wasserrutschbahn aufgebaut. Von einem kleinen Turm konnte man mit einem Kahn in den Weiher hinunter rutschen.


Der Valznerweiher war bis zum Ausbruch des 2.Weltkriegs bewirtschaftet. Nach dem Krieg nutzten die Amerikaner das Restaurant als Club bis es Anfang der 50er Jahre zurück an die Stadt ging. Es wurde von verschiedenen Pächtern betrieben. Im Jahr 2000 verkaufte die Stadt das Anwesen.

Gleich nebenan gibt es noch den kleinen Valznerweiher. Für mich berühmt berüchtigt, da ich dort beim Versuch des Schlittschuhlaufens meine einzigen Winterstiefel ruiniert habe …



Das Waldgebiet in der Umgebung ist ideal zum Spazierengehen und Radeln. Richtung Fischbach kann man an der Russenwiese vorbeikommen.




Der Name „Russenwiese“ bürgerte sich nach dem 1.Weltkrieg ein, nachdem dort während des Krieges ein Lager für russische Kriegsgefangene errichtet worden war.
Etwa zwanzig Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurden zur Zeit der Reichsparteitage große Zeltlager für die Teilnehmer der Werkschar eingerichtet.
Ein Bericht der Feuerschutzpolizei von 1939 nennt für das Lager Russenwiese in der Zeit vom 5. bis 12. September 1938 24.000 Mann Belegung.
Im Zweiten Weltkrieg waren dort bis zu 2.000 Zwangsarbeiter, vorwiegend aus Osteuropa, in einem provisorischen Zeltlager untergebracht. Die Häftlinge lebten dort unter Bedingungen, die denen in den Konzentrationslagern vergleichbar waren. Auch das Nürnberger "Arbeitserziehungslager" befand sich vom Oktober 1942 bis zu seiner Zerstörung bei einem Luftangriff im August 1943 auf dieser Wiese.
1943 infizierten sich 200 Gefangene mit der Hahnenfußpflanze, in der Hoffnung, als Kranke in die Heimat zurückgeschickt zu werden. Diese Sabotageaktion wurde jedoch verraten und alle Infizierten in Konzentrationslager eingeliefert. Fünf "Rädelsführer" wurden inmitten des Lagers öffentlich erhängt. Deswegen wurde u.a.Paul Ohler nach dem Krieg vor dem OLG Nürnberg zu sieben Jahren Haft verurteilt. Nach der Bombardierung 1943 wurde das "Arbeitserziehungslager" nach Langenzenn ausgelagert.

Noch eine Sache fand ich interessant. Erst letzthin entdeckte ich im Wald Richtung Fischbach einige parallel verlaufende Hügelketten. Recherche ergab, dass das Reste von Trümmerschutt sind. Jetzt ist das Ganze natürlich von Vegetation bedeckt …


In der unmittelbaren Nachkriegszeit gab es die Trümmerbahn in Nürnberg
Aus einer anderen Quelle:
Vom Herzen der zerbombten Altstadt, dem Hauptmarkt, führte eine eingleisige Hauptstrecke bis hinaus bis in den Vorort Fischbach. Dort hatte man ein Waldstück als Schuttabladeplatz ausgewiesen. Der Schienenstrang verließ die Stadtmauern am Kasemattentor, führte am Prinzregentenufer entlang, um am Wöhrder Talübergang die Pegnitz, auf einer eigens errichteten Eisenträgerbrücke, zu überqueren. Nach dem Dürrenhoftunnel bog die Linie links in die Regensburger Straße ein, wo sie wenig später die Zufahrtsgleise zum Straßenbahndepot St. Peter kreuzte. In Höhe der Breslauer Straße bog die Strecke Richtung Fischbach ab. Es gab an verschiedenen Stellen auch Ausweichgleise um Gegenzüge passieren zu lassen. Bei Steigungen, wie etwa am bereits erwähnten Tunnel, mussten manchmal zusätzliche Schiebeloks nachhelfen.
Der Trümmerschutt wurde am Abladeplatz gleichmäßig verteilt. Um dies zu gewährleisten änderte sich der Gleisplan häufig – durch das bereits angelieferte Material entstanden "Entladerampen. Die Schuttbahn verfügte auch über ein eigenes Bahnbetriebswerk auf dem heutigen FCN-Gelände. Etwa 18 Loks sollen es gewesen sein die dort gewartet und mit Wasser und Kohle versorgt wurden. 

Eine Sache gibt es auch noch: DasGelände der ehemaligen Strafanstalt am Holzweiher. Abgezäunt und zugewachsen …

Von dort Richtung Valznerweiher wird das Gelände immer sumpfiger, aber interessant:



Gehen wir aber nochmals in die Vergangenheit des Valznerweihers zurück. Bis anfangs des 19. Jh. warteten auf die Nürnberger hier besondere kulinarische Genüsse. Wenn man jetzt an Karpfen denken, dann liegt man falsch. Hier wurden Vögel aufgetischt! Auf der Insel des Valznerweihers standen nämlich Vogelherde, von denen es hier im Osten rund um den Schmausenbuck eine große Anzahl gab. Es waren eben nicht nur die Italiener auf der Jagd nach Singvögeln, sondern auch für die Nürnberger war der Vogelfang ein Freizeitvergnügen und eine Erwerbsquelle.
Vorzugsweise stellte man den wohlschmeckenden Krammetsvögeln (Wacholderdrosseln) nach. Eine Besonderheit für die Nürnberger war der Fang der Heidelerchen. Die Vogelherde rund um den Schmausenbuck hatten einen großen Zulauf von Nürnberger Bürgern, die sich hier die gebratenen Vögel aus erster Hand kauften und dazu einen guten Trunk kredenzt bekamen.  
(Quelle)


29.04.20

Buchenbühl heute


Dieses zwischen Autobahn und Flughafen eingezwängte Buchenbühl erfuhr nach dem Krieg zur Zeit des Aufschwungs weitere Bautätigkeit. Gerade im Nordwesten entstanden Einfamilienhäuser und in den anderen Bereichen wurde etwas verdichtet.
Wie lebt es sich dort ? Dazu möchte ich auszugsweise aus einem Artikel der Zeitung zitieren.
In Buchenbühl leben rund 2300 Menschen. 63 Prozent von ihnen sind gebürtige Nürnberger, in der ganzen Stadt der höchste Anteil. So auch Horst und Margit Geuß. Das Ehepaar lebt seit 30 Jahren gemeinsam in Buchenbühl. . In den 1920er Jahren gründeten die ersten Bauherren hier eine kleine Siedlung.

Darunter waren auch die Großeltern von Horst Geuß. Als Wirte übernahmen sie den Saalbau, das große, wuchtige Wirtshaus im Kern des Stadtteils. Hier, vor den Toren der Stadt, gibt es Natur und Grün in Hülle und Fülle. Auch für Horst Geuß war das ein Grund, nie aus Buchenbühl wegzuziehen und sein Elternhaus mit dem großen Garten, das Mutter und Vater in den 1960erJahren bauten, zu übernehmen und kräftig umzubauen.
Das Haus der Geuß‘ ist typisch für Buchenbühl. Ein- und Zweifamilienhäuser machen über 90 Prozent des Bestands in Buchenbühl aus.
Das war damals ein Eldorado. Unser Haus war das zweite in der Straße, sonst waren überall Baulücken", erzählt er. Diese waren aber schnell geschlossen und dabei blieb es bis heute. Denn Buchenbühl wird im Nordosten von der A3, im Südosten von der B2 und im Südwesten vom Airport umschlossen wie von einem engmaschigen Jägerzaun, den es hier allerorten gibt.
Besonders morgens und abends hört man die Turbinen der startenden Flugzeuge aufheulen. Horst Geuß fühlt sich da manchmal etwas eingekreist. Durch die geographische Beschränkung blieb das Viertel über die Jahre so, wie es war. Im Nordosten ist der Wald nah, wunderschöne Radtouren und Spaziergänge könne man hier machen, schwärmt Margit Geuß. Als die Kinder klein waren, konnten sie dort bedenkenlos spielen.
In 20 Prozent der Buchenbühler Haushalte leben heute noch Kinder, der Altersschnitt im Viertel aber schlägt klar nach oben aus. Rund 30 Prozent der Buchenbühler sind über 65 Jahre alt - auch, wenn wieder junge Familien hinaus ins Grüne ziehen.
In Buchenbühl gibt es zudem kaum Bewegung, nur sieben Umzüge auf 100 Einwohner hat das Statistikamt gezählt, in St. Sebald sind es 12 pro hundert Einwohner. Dadurch, dass viele Menschen in Eigenheimen lebten, hätten sie auch keinen Grund aus Buchenbühl wegzuziehen. Auch das Ehepaar Geuß will aus Buchenbühl nicht mehr weg, zu sehr genießt es seinen großen Garten, das gute Miteinander unter Nachbarn, in Vereinen oder der Kirchengemeinde.
Die vertraute Stimmung im Stadtteil zieht auch junge Familien an. Nach dem Tod der alten Besitzer kaufen oft junge Familien die Häuser. "Aber auch die wollen gerne Kontakt", berichtet Margit Geuß. Auch die erwachsene Tochter des Ehepaars möchte bald wieder aus der Innenstadt an den grünen Stadtrand ziehen, wo sie aufgewachsen ist.
Auch wenn Horst Geuß nie weg wollte, sehen er und seine Frau auch die Nachteile, die das Leben ein wenig ab vom Schuss bringt. "Bis ein Krankenwagen da ist, das kann schon mal dauern", sagt er. Gerade das kann für ältere Menschen gefährlich werden. Einen Supermarkt gibt es vor Ort nicht, einen kleinen Laden und ein Bäcker sind noch am Ort, ein Metzgerwagen und die Gemüsefrau kommen immerhin ein paar Mal in der Woche. Aber durch die gute Nachbarschaft und den Zusammenhalt im Viertel lassen sich vielleicht auch diese Defizite etwas abmildern. Denn alles in allem gefällt es ihnen hier so gut wie nirgends sonst.
(Die Gastwirtschaft gibt es noch. Im Saalbau hat sich eine Auktionsfirma etabliert)

Bei meiner Exkursion habe ich am zentralen Platz einen alten Kiosk entdeckt, der nun neu eröffnet ist und ein Angebot von Obst und Gemüse hat. Auch andere Artikel kann man bei der türkischen Betreiberin bekommen.


Zum Lärmschutz: Die Autobahn scheint nicht so zu stören, wobei hier die Erneuerung des Lärmschutzes geplant ist, da sie jetzt 6-spurig ausgebaut ist. Beim Thema Flughafen gibt es seit Jahren eine Bürgerinitiative, die wenigstens ein Nachtflugverbot erreichen will.
Außerdem gibt es eine Initiative gegen die geplante Nordanbindung des Flughafens. Viele Jahren kämpften Umweltschützer und ein Teil der Anwohner gegen den Bau einer Straße mitten durch den Sebalder Reichswald. Sie sollte den Nürnberger Flughafen an die Autobahn A3 anbinden und den Stadtteil Ziegelstein vom Verkehr entlasten. Dazu gibt es einige Presseberichte.
Nachdem die CSU den Oberbürgermeister stellt, der sich gegen dieses Projekt aussprach, scheint damit Schluss zu sein.
Der örtliche Sportverein hatte so seine Schwierigkeiten, eigenständig weiter existieren zu können.
Es wurde auch berichtet, dass durch Änderung von Lärmschutzzonen im Ort nun auf einigen großen Grundstücken nun doch noch reingebaut werden soll.

Ein Blog beschäftigt sich in einem Artikel exemplarisch mit dem Ortsbild. 
Zitat:Auch an der Straße Zum Felsenkeller in Buchenbühl sind die Veränderungen der letzten Jahrzehnte deutlich zu sehen. Die ursprüngliche Gestalt der Siedlung ist aber nach wie vor gut erkennbar, auch deshalb, weil viele Hauseigentümer Rücksicht aufeinander und auf das Alte genommen haben. In der Straße, deren östlichen Point-de-vue der Dorfplatz Am Paulusstein mit dem Uhrturm bildet, wurden ab 1919 zwei Haustypen errichtet: Doppelhäuser mit hohen Satteldächern und Giebeln zur Straße und traufständige Doppelhäuser mit Mansarddächern. Ruff und Schmeißner versahen alle Häuser mit hohen Kellersockeln aus Rotsandstein, die übrigen Mauern wurden verputzt und hell gestrichen. Als Farbtupfer erhielten die Eingänge Rahmungen aus Sandstein mit Reliefs, die in ihrer Schlichtheit dem dörflichen Charakter der Siedlung Rechnung trugen. Die Dachstühle waren von Anfang an ausgebaut und wurden durch Schleppgaubenbänder belichtet. Knapp ein Jahrhundert nach ihrer Erbauung haben sich viele Häuser im Großen wie im Detail gewandelt. Manch ein Haus, etwa die Nr. 2-4, hat einen Anbau erhalten. Nicht selten hat man die Dächer – sie waren ursprünglich samt und sonders mit Biberschwänzen gedeckt – mit anderen Ziegeln (z. B. Frankfurter Pfannen) und in anderen Farben versehen. Haustüren wurden ausgetauscht, Fenster erneuert. Manch Fassade erhielt in den letzten Jahren eine Außendämmung, der leider hin und wieder die schönen Sandsteinrahmungen der Portale zum Opfer fielen. Insgesamt aber bietet die Straße Zum Felsenkeller noch heute ein anschauliches Bild, wie Buchenbühl aussah in jener entbehrungsreichen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, als sich unerschrockene Siedler ein neues Leben draußen vor der Stadt aufbauten.


Ich steuere noch bei:

Zum Paulusstein

Kalchreuther Str
fast original

Waldkindergarten erbaut 1935 1963 erweitert

weitere Bilder gibt es hier zu sehen

Ach ja, bei Buchenbühl wurden übrigens um ca. 1834 einige Knochen eines Sauriers entdeckt. Das war der erste Fund in Deutschland.

28.04.20

Buchenbühl bis 1945


Die Bautätigkeit in Buchenbühl (und Loher Moos) wurde 1924 fortgesetzt nachdem sie wegen der Inflation 22 / 23 darniederlag.
1921 noch konnte man in einer „Lehrkolonie“ etwas abgesetzt am östlichen Rand als Experiment einige Häuschen fertigstellen. Hier sollten exemplarisch alternative Bauformen und Baumaterialien getestet werden in Bezug auf Wirtschaftlichkeit und Wärmehaltung. Festgelegt wurde, dass der Plan für alle Häuser genormt ist, aber in der Bauausführung verschieden sein sollte.
Die Systeme waren dann Lehmbau, Lehmstampfbau, Lehmziegelbau, Schlackenbetonsteinbau und Holzbau. Es wurden sogar Geschosskörbe der Armee benutzt, mit verschiedensten Materialien gefüllt und verbaut.

Geschosskörbe:

 Das Experiment brachte keine guten Ergebnisse auch in Bezug zu den Baukosten. Heute ist keines dieser Häuschen mehr im Original zu finden. Die meisten wurden abgerissen oder umgebaut.


Ab 1924 änderte sich die Wohnungsbaupolitik des Siedlungswerks. Es wurden keine
Einfamilienhäuser mehr zur Miete errichtet.
Seit 1920 gab es das Reichsheimstättengesetz.
Die tiefere Idee der Heimstätte liegt darin, dass bei dieser besonderen Form sozialpolitisch gebundenen Eigentums unabhängig von der wirtschaftlichen Situation des selbstnutzenden Eigentümers Grund und Boden und das darauf befindliche Wohnhaus unter allen Umständen dem Zugriff eventueller Gläubiger entzogen bleibt.

D.h. Es wurde nun Eigentum gebaut. Die nun bürgerliche Regierung in München hatte wahrscheinlich auch das Interesse, dass nun eher Beamte und Angestellte in Buchenbühl (und Loher Moos) angesiedelt wurden. Arbeiter konnten sich die nun entstehenden Häuser sowieso nicht leisten.Man musste nämlich einen einmaligen Betrag zahlen und den Rest durch eine Art Miete mit Ratenzahlung abstottern.


1933 wurde das Siedlungswerk auch gleichgeschaltet und Personal ausgetauscht.
Nach vorhandenen Plänen wurde noch einiges dazu gebaut. Jetzt unter dem Namen „Volksheimstätten“. Ob nun Parteimitglieder beim Einzug bevorzugt wurden ist wahrscheinlich, lässt sich aber nicht nachweisen.

In der Igensdorfer Strasse wurden 1934 / 1935 solche Volksheimstätten mit einer Grundfläche von 44 qm errichtet.


Auch militärisch tat sich in Buchenbühl etwas:

Westlich der Bahnlinie entstanden Gebäude für ein Luftgau-Nachrichten-Regiment. Der Flughafen Marienberg war ja ab 1933 eingerichtet. Zuerst als Verkehrsflughafen ab 39 als Fliegerhorst


Nach dem Krieg wurden die meisten Gebäude abgerissen. Nur das ehemalige Offizierskasino steht noch und wird heute als Jugendhotel genutzt.

Dort wo sich andere Anlagen des Regiments befanden gibt es heute eine Schule für Forstwirtschaft und auf dem Militärgelände nördlich wurden nach dem Krieg weiter Siedlerhäuser mit Garten errichtet.


Buchenbühl hat sich bis 1945 also weiter vergrößert (gelbe Markierung)



Im Krieg wurde nicht viel zerstört (eher im Loher Moos). Amerikanische Truppen erreichten Nürnberg zuerst in Buchenbühl am 16.April 1945 und marschierte kampflos weiter nach Ziegelstein und Loher Moos.